Außenminister Gabriels Irak-Entscheidung ist ein Anfang, jedoch ein Tropfen auf den heißen Stein

Kommentar von Mehmet Tanriverdi*

Der Abbruch der Irak-Reise Außenminister Gabriels ist zu begrüßen. Es ist klar, wer sich als Vermittler einschalten will, muss mit beiden Seiten sprechen können. Doch der Irak will verhindern, dass man die Seite der Kurden anhört und der Herr Minister Gabriel musste letzte Woche nun selbst erleben, was die Kurden in den letzten 100 Jahren erleben mussten: Verbote, Ablehnung und Bevormundung. Bagdad ist nicht an einer Lösung der derzeitigen Problematik mit Hewlêr (Erbil) interessiert, sondern möchte viel mehr am Status Quo festhalten und das bedeutet für die Kurdinnen und Kurden: Unterdrückung. Andernfalls hätte der irakische Premier Abadi – selbst nach Einschreiten der Bundeskanzlerin – einen Kurdistan-Besuch des Außenministers nicht so vehement abgelehnt. Die Irakis sind dabei es den Türken nach zu machen. Der türkische Staatspräsident Erdogan hat in der Vergangenheit den Besuch deutscher Parlamentarier in Incirlik/Türkei stationierter deutscher Soldaten abgelehnt. Konsequent: Deutschland hat seinen Stützpunkt nach Jordanien verlegt.
Der Irak hat nun heute die Mittel eingesetzt, die auch schon die Türkei zuvor einsetzte. Man verbietet deutschen Politikern nicht nur den Besuch in Kurdistan, sondern auch den Besuch bei deutschen Truppen im Lande. Wie gesagt, Bagdad ist dabei von der Türkei die Methoden der Erpressung zu lernen und sie nun auf Deutschland anzuwenden.
Die Entscheidung des Außenministeriums, die Irak-Reise gänzlich abzubrechen, wenn man nicht auch nach Kurdistan kann, ist zu begrüßen und wir danken für diesen Schritt. Auch die Fortführung des Bundeswehreinsatzes in Kurdistan sowie die Ausbildung von Peschmerga begrüßen wir ausdrücklich. Wir hoffen, dass diese Mission auch im Januar noch einmal verlängert wird. Auch mit den Herren in Bagdad, die mittlerweile ihre Entscheidungen aus Teheran holen, müsste man Tacheles reden. Amerika und Deutschland – Wir erinnern uns: Minister Gabriel telefonierte mit Iraks Premier Abadi während der Invasion Kirkuks und bestärkte ihn – haben es vor der Invasion Kirkuks versäumt das zu tun. Noch ist es aber nicht zu spät.
Immer wieder mussten wir daran erinnern, um welche Regimes es sich im Nahen Osten handelt, doch das Außenministerium wollte nicht hören. Nicht bei der Türkei, nicht beim Irak und auch nicht beim Iran. Bei der Türkei hat man gesehen, was daraus geworden ist. Beim Irak scheint man es langsam auch zu begreifen. Die EU und Deutschland sind gut beraten, den Fehler nicht zu wiederholen. Die Unterstützung für die Kurdinnen und Kurden im Nahen Osten ist ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Demokratie in der Region, der Bekämpfung der Fluchtursachen und  trägt auch hier bei uns im Lande zur Stärkung der inneren Demokratie bei. Beides geht Hand in Hand. Kurdistan braucht die Hilfe Deutschlands und Deutschland hat ein großes Interesse an einem stabilen Kurdistan. Sei es wegen kulturellem oder aber auch wirtschaftlichem Austausch, aber auch der Bekämpfung der Fluchtursachen. Die Rechte der Kurdinnen und Kurden müssen gewahrt werden. Ein entschlosseneres Einschreiten ist nötig. Lassen Sie diese anfänglichen, guten Schritte nicht einfach verfliegen.

*) Mehmet Tanriverdi, stellv. Bundesvorsitzender