Pressemeldung: 305/1004-2022

Das Urteil im Mykonos-Prozess vor 25 Jahren

Am 17. September 1992 fielen drei kurdische Exilpolitiker Dr. Sadegh Sharafkandi, Generalsekretär der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran (DPK-I), Fattah Abdoli, Repräsentant der Partei in Frankreich, Hormayoun Ardalan, Vertreter der DPK-I in Deutschland und der iranische Oppositioneller Nouri Dehkordi mitten in Berlin einem Attentat zum Opfer. Im Auftrag des iranischen Geheimdienstes überraschten Attentäter die vier Regimegegner während eines Besuchs im Restaurant „Mykonos“ in Berlin-Wilmersdorf und schossen alle vier nieder. Die DPK-I-Vertreter waren nach Berlin gereist, um an einer Konferenz der Sozialistischen Internationale (SI) teilzunehmen.

Es folgte ein juristischer Prozess, der in den Medien unter „Mykonos-Prozess“ Aufmerksamkeit erlangte und zudem in die deutsche Rechtsgeschichte einging. Denn schnell wurde klar, es handle sich bei dem Anschlag um einen Fall von Staatsterrorismus, der von der Spitze der damaligen iranischen Regierung in Auftrag gegeben wurde. Nach 247 Verhandlungstagen und der Befragung von 166 Zeugen, fällte das Berliner Kammergericht am 10. April 1997 das Urteil: zwei der vier ausführenden Geheimdienstagenten wurden zu lebenslänglichen und zwei weitere zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. In der Urteilsbegründung wurden darüber hinaus der ehemalige iranische Geheimdienstschaf Ali Fallahian, der frühere oberste Rechtsgelehrte Ali Chamenei sowie der Staatspräsident Ali-Akbar Haschemi Rafsandschani ausdrücklich als Auftraggeber des Terroranschlags genannt.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Kurdischen Gemeinde, Mehmet Tanriverdi, misst dem Mykonos-Urteil sowohl juristisch als auch international eine herausragende Bedeutung bei. Denn zum ersten Mal in der Geschichte wurden Staatsspitze eines Landes, in diesem Fall die der Islamischen Republik Iran, als Drahtzieher eines Terroranschlags an kurdische Oppositionelle erkannt und verurteilt, so Tanriverdi.

Die Kurdische Gemeinde Deutschland schätzt die deutsche Justiz für diese historisch beispiellose juristische Aufarbeitung. Gleichzeitig vermisst sie einen klaren außenpolitischen Kurs der Bundesrepublik gegenüber den Iran, die die Verletzung der Menschenrechte bei ihren politischen Entscheidungen verstärkt in den Blick nimmt. Denn bis heute – 25 Jahre nach dem Mykonos-Urteil – hat sich an der politischen Verfolgung von Kurd:innen und anderen Oppositionellen im Iran und Ausland kaum etwas geändert.