PRESSEERKLÄRUNG: 78/ 2204-2016

2016-PE-M-D

Bundeskanzlerin Merkel besucht erneut die Türkei:

Die europäisch- türkischen Beziehungen der letzten Monate sind reich an Kuriositäten.

Der nächste Türkei Besuch der Bundeskanzlerin fällt leider ebenfalls in diese Kuriositätensammlung so Ali Ertan Toprak, Bundesvorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland.

Gemeinsam mit dem türkischen Ministerpräsidenten Davutoğlu werden der EU- Ratspräsident Donald Tusk,EU- Vizekommissionspräsident Frans Timmermanns und die Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Stadt Gaziantep ein Flüchtlingslager besuchen und das europäisch- türkische Hilfsprogramm für syrische Flüchtlinge feierlich starten.

Ausgerechnet in der Stadt Gaziantep, dem IS- Logistik- und Finanzzentrum in der Türkei kommen die europäischen Politiker zusammen. Nicht nur die islamistischen Bombenattentäter der Anschläge in Diyarbakır und Ankara kamen aus dieser Stadt. Sie ist auch das große Sammelbecken für all jene Jihadisten, die entweder in den Heiligen Krieg nach Syrien ziehen, oder gerade wieder auf dem Weg zurück z.B. nach Europa sind. Hier laufen die logistischen Fäden der Terrororganisation zusammen. In allen Banken der Stadt verfügen ISMittelsmänner über Konten, die den Krieg finanzieren. In den Krankenhäusern der Stadt wurden und werden nach wie vor verletzte Kämpfer der IS auf Staatskosten medizinisch versorgt.

Toprak erwartet inszenierte Bilder eines gut versorgten und ausgestatteten Flüchtlingslagers und eines fürsorglichen türkischen Staates, doch dieses Schauspiel darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Türkei de facto gegen die eigene kurdische Bevölkerung im Krieg befindet und nur wenige Kilometer von Gaziantep entfernt die türkische Armee kurdische Städte dem Erdboden gleichmacht. Auch sollten die Bilder von glücklich versorgten Flüchtlinge nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit der syrischen Flüchtlinge in der Türkei völlig auf sich selbst gestellt ums nackte Überleben kämpft. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen sind in der Türkei nur 30% der Flüchtlinge überhaupt registriert und somit berechtigt in den Lagern Unterstützung zu erhalten. Der weit größere Teil der Flüchtlinge wird weder versorgt noch haben sie eine Perspektive im Land.

Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde hätte es von der Kanzlerin ehrlicher gefunden, auch die nahegelegene kurdische Metropole Diyarbakir und die Nachbarprovinzen im Südosten des Landes als Zeichen der europäischen Solidarität zu besuchen, denn hier braut sich gerade die neue Flüchtlingswelle in Richtung Europa zusammen. Der fragwürdige Schulterschluss der EU mit der islamistischen AKP-Regierung demoralisiert all jene in der Türkei, die für eine säkulare Demokratie nach europäischen Vorbild eintreten. Sie und vor allem Kurden werden vor den Augen Europas drangsaliert, verfolgt und niedergebombt. Viele Menschen wollen da raus und haben kaum noch Mut für eine bessere Türkei zu kämpfen. Sie fühlen sich verraten und alleingelassen, so Toprak weiter.

Unterdessen verdichten sich die Hinweise darauf, dass in den kurdischen Städten entlang der türkisch- syrisch Grenze die Opfer der militärischen Strafaktionen geworden sind, die entvölkerten Dörfer und Kreisstädte mit arabischen Flüchtlingen bevölkert werden sollen. Tuch die Arabisierung der Region will Ankara den kurdischen Widerstand dauerhaft brechen.