Grußwort Mehmet Tanriverdi auf der Newrozfeier „Solidarität mit Rojava-Kurdistan“ am 22.03.2025 in Köln

Newroz Pîroz be!
Newrozê shima pîroz bo!

Liebe Freundinnen und Freunde, 
herzlich willkommen zum diesjährigen Newroz-Fest hier in Köln. 

Wir versammeln uns heute nicht nur, um den Beginn des neuen Jahres zu feiern, sondern auch, um unsere Solidarität mit allen Kurdinnen und Kurden weltweit zum Ausdruck zu bringen. 

Newroz ist ein Fest des Widerstands, der Hoffnung und des Aufbruchs. Es ist der Tag, an dem wir uns erinnern und gleichzeitig nach vorne blicken – auf eine Zukunft in Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden. 

Das Newroz-Feuer, das in diesen Tagen überall in Kurdistan brennt, symbolisiert den unerschütterlichen Willen, für die eigenen Rechte einzustehen und sich nicht der Unterdrückung und Verfolgung zu beugen. Das diesjährige Neujahrsfest in Rojhelat-Kurdistan begann bereits vor einer Woche. Dort hatte die Islamische Republik Iran versucht, die Newroz-Feiern wegen des Fastenmonats Ramadan zu verbieten. 

Doch die Kurdinnen und Kurden ließen sich nicht einschüchtern. Als symbolischen Akt des Widerstands entzündeten sie frühzeitig das Newroz-Feuer. Seitdem brennt das Newroz-Feuer als Zeichen der Freiheit und des Aufbegehrens gegen Unterdrückung.

Newroz ist nicht nur ein Fest der Freude, sondern auch ein politischer Moment. 

In Rojava-Kurdistan, dem syrischen Teil Kurdistans, wo die Kurdinnen und Kurden trotz aller Angriffe und Bedrohungen unbeirrt ihren Kampf für ein selbstbestimmtes Leben führen, stehen die Zeichen auf Widerstand. Auch nach dem Sturz des Assad-Regimes kontrollieren die kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) große Gebiete im Nordosten Syriens. 

Dieses Gebiet, das ein Drittel des gesamten syrischen Territoriums ausmacht, ist jedoch ständigen Angriffen der Türkei und ihrer islamistischen Verbündeten ausgesetzt, die die Existenz der Kurden bedrohen.

Uns haben heute Newroz-Grüße von Präsident Barzani, der ENKS und General Mazlum Abdi und anderer kurdischer Parteien erreicht. Wir danken dafür.

Wir sind sicher, wenn die Kurden eine Einheit bilden, wenn das Parteienbündnis um PYD und ENKS in Rojava mit einer Stimme spricht und eine klare Haltung gegenüber dem neuen Regime in Damaskus einnimmt, werden sie nicht nur einen Etappensieg erringen, sondern auch einen festen Status, in Form einer Autonomie oder eine föderale Lösung im zukünftigen Syrien erreichen. 

Unsere Solidarität aus der Diaspora wird dabei eine ganz wichtige Rolle spielen.

In einer Zeit, in der die Karten im Nahen Osten neu gemischt werden, können die Kurden auf Verbündete wie Frankreich, Israel und Amerika zählen, doch dafür müssen sie geschlossen auftreten.

Am 10. März wurde ein Abkommen zwischen Maslum Abdi und dem neuen syrischen Machthaber Ahmet Al-Shara unterzeichnet.  Zwei Tage später unterzeichnete der ehemalige Islamist Ahmat Al-Shara, bekannt als Colani, einen Verfassungsentwurf für Syrien, der jedoch für die Kurden eine herbe Enttäuschung darstellt. Die Kurdinnen und Kurden in Syrien und hier in Deutschland lehnen diesen einseitigen Entwurf entschieden ab, da er ihre Grundrechte und ihren Anspruch auf kulturelle und politische Autonomie missachtet. Diese Entwicklung lässt uns mit Sorge in die Zukunft blicken.

Auch die Herausforderungen in Südkurdistan dürfen nicht unbeachtet bleiben. Hier fordern wir, dass nach den demokratischen Wahlen im September 2024 nun eine gemeinsame Regierung von PDK und PUK gebildet wird, die die nationale Einheit stärkt. Nur so kann Südkurdistan international als geeinte Stimme für die Rechte der Kurdinnen und Kurden auftreten und politisch relevant bleiben.

Die Autonome Region Kurdistan mit ihrer Hauptstadt Erbil hat das Recht mit den Ländern der freien Welt inkl. Israel diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Wir verurteilen jegliche Versuche der irakischen Regierung die kurdischen Diplomaten wegen Kontakten zu Israel zu diskreditieren und zu kriminalisieren.  

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ankündigung des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan, nach Jahrzehnten des Konflikts, den militärischen Widerstand der PKK gegen die Türkei zu beenden und die PKK aufzulösen. Dies kann als wichtiger Schritt hin zu einer möglichen Deeskalation und friedlichen Lösung des langjährigen Konflikts gewertet werden. Dieser Prozess darf sich aber nicht in einem Waffenstillstand erschöpfen. Die Türkei muss nun ernsthafte Schritte zur politischen und kulturellen Anerkennung der Kurden unternehmen. Dazu gehören die Freilassung politischer Gefangener, die verfassungsrechtliche Anerkennung der kurdischen Identität und die Einführung der kurdischen Sprache in Bildungseinrichtungen. Nur so kann Vertrauen aufgebaut und ein Frieden erreicht werden, der den legitimen Forderungen der Kurdinnen und Kurden gerecht wird.

Die willkürliche Absetzung und Inhaftierung der demokratisch gewählten Bürgermeister in der Türkei ist nicht hinnehmbar und muss ein Ende haben. Das gilt sowohl für die kurdischen Politikerinnen und Politiker aber auch für den CHP Kemalisten von Istanbul, Herrn Imamoglu. Die Kemalisten der Türkei waren schlimmer als Erdogan, wenn es um Kurden und Kurdistan geht.

Bei allen Herausforderungen, vor denen die Kurdinnen und Kurden in allen Teilen Kurdistans stehen, dürfen wir nicht vergessen, dass wir auch hier in Deutschland für die zwei Millionen Kurdinnen und Kurden in Deutschland wichtige Fortschritte erreicht haben. 

Die politische Bedeutung der kurdischen Gemeinschaft hier in Deutschland nimmt stetig zu. Nach den letzten Bundestagswahlen sind nun mehrere deutsch-kurdische Abgeordnete im Deutschen Bundestag vertreten. Ein weiterer wichtiger Erfolg war die Gründung der Parlamentariergruppe „Kurdisches Leben in Deutschland“. Diese Erfolge sind ein klarer Beweis dafür, dass die kurdische Gemeinschaft in Deutschland zunehmend an politischer Relevanz gewinnt.

Aber auch hier müssen wir weiter für die Anerkennung der kurdischen Identität und gegen die weit verbreitete Kurdenfeindlichkeit kämpfen. Wir müssen uns weiterhin gegen die Kriminalisierung der Kurden einsetzen. Darüber hinaus müssen wir die Freundschaft zwischen Kurden und Juden in Deutschland weiter stärken, insbesondere wenn wir uns gemeinsam gegen Antisemitismus und Kurdenfeindlichkeit stellen, die unseren gesellschaftlichen Frieden gefährden.

Ein weiteres Thema, das unsere Aufmerksamkeit erfordert, ist die Situation in Syrien und die Gräueltaten gegen die Alawiten. Der Westen darf bei solchen Massakern nicht wegschauen. Syrien muss sich zu einer föderalen Struktur entwickeln, die allen ethnischen und religiösen Gruppen – den Kurden, Alawiten, Drusen und Christen – ihre Rechte garantiert. Nur mit internationalen Garantien, zum Beispiel durch die USA, Frankreich und Israel, können wir sicherstellen, dass diese Rechte auch in Zukunft gewahrt bleiben.

Lassen Sie uns heute unser Newroz-Fest in voller Solidarität feiern, für unsere Rechte hier und für die Zukunft eines freien und selbstbestimmten Kurdistans eintreten und uns stets bewusst sein, dass Freiheit und Gerechtigkeit nicht von selbst kommen, sondern immer wieder erkämpft und verteidigt werden müssen.

Bijî Kurd, bijî Kurdistan! 

Vielen Dank

 

Der Redebeitrag ist auf YouTube abrufbar: https://youtu.be/WDPXUdA0Zhw?feature=shared