Kurdische Gemeinde Deutschland ruft zur Besonnenheit und Zusammenhalt auf!

Die Kurdische Gemeinde Deutschland erkennt die vielfältigen Glaubensrichtungen, denen die Kurdinnen und Kurden angehören, als ein unschätzbares Reichtum des kurdischen Volkes an. Daher wollen wir jeder religiösen Gruppe ebenso wie alljenen ohne Glaubensbekenntnis mit gleichermaßen Respekt und Würdigung begegnen.

Mit Betroffenheit nimmt die Kurdische Gemeinde Deutschland zur Kenntnis, dass Äußerungen des bekannten kurdischen Volkssängers Sivan Perwer in einem Video in den letzten Tagen bei einem Teil der ezidischen Gemeinschaft Unmut ausgelöst hat.

Die Kritik des Volkssängers an unreflektiertem Glauben und Glaubensführern aller Religionen, die nicht mehr zeitgemäß seien und die Gläubigen ausbeuten, mag für besonders gläubige Menschen schmerzhaft gewesen sein, diese Äußerungen sind jedoch die persönliche Meinung von Sivan Perwer und durch die verfassungsrechtlich verbürgte Meinungsfreiheit gedeckt.

Eine vor allem in den sozialen Medien stattfindende Kampagne, die bis hin zu Drohungen und Gewaltaufrufen gegen die Person Sivan Perwer reicht, verurteilen wir mit Entschiedenheit. Ebenso haben bisher die vereinzelten Erklärungen ezidischer Interessengruppen nur zur weiteren Emotionalisierung beigetragen. Wir hätten uns einen deeskalierenden Ton und eine sachlich-nüchterne Auseinandersetzung gewünscht. Die Erklärungen waren zudem ein missglückter Versuch einer „Generalabrechnung“ mit den nicht-ezidischen Kurdinnen und Kurden.

In der kurdischen Geschichte ist zwischen den religiösen und zerstrittenen politischen Gruppen immer wieder Unrecht geschehen. Oft war dabei die ezidische Glaubensgemeinschaft Ziel von Anfeindungen, Verfolgung und Massaker.

So manches Mal klebte an kurdischen Händen kurdisches Blut und nicht selten war dieser „Bruderkrieg“ von den Besatzerstaaten fingiert. Dieses historische Erbe muss aufgearbeitet werden, aber nicht über die sozialen Medien. Dazu ist uns Europa mit seiner wechselseitigen Geschichte nicht nur ein Vorbild, sondern bietet uns auch alle Möglichkeiten einer offenen, reflektierten, friedlichen und wissenschaftlichen Aufarbeitung dessen, was passiert ist.

Kontroverse Diskurse müssen in einer offenen und demokratischen Gesellschaft immer möglich sein. Daher rufen wir alle Beteiligten zur Besonnenheit auf. Unser aller Pflicht muss es sein, deeskalierend zu wirken und Gemeinschaften nicht zu spalten. Toleranz und Wertschätzung sind zwei wesentliche Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenhalts, den wir so dringend brauchen.

Im 21. Jahrhundert stehen in Deutschland weder die Regeln einer Religionsgemeinschaft noch die Tradition oder Sitten einer Volksgruppe über den Menschenrechten und das Grundgesetz.

Wer seine Profilierung darin sucht, andere auszugrenzen, Feindbilder zu schaffen und durch verbale Entgleisungen Eindruck zu schinden, schadet nicht nur dem kurdisch-ezidischem Wunsch nach Anerkennung und Partizipation, sondern in einer solidarischen und konsensorientierten Gesellschaft letztendlich auch sich selbst.