Der 29. April ist der von den Vereinten Nationen ausgerufene Gedenktag der Opfer chemischer Waffen. Chemische Waffen zählen zu den Massenvernichtungsmitteln, deren Ziel es ist, einen größtmöglichen Schaden bei gegnerischen Streitkräften und Zivilist:innen anzurichten. Ihr Einsatz gilt als Kriegsverbrechen.

Für uns Kurd:innen nimmt dieser Gedenktag eine besondere Rolle ein: Das kurdische Volk wurde unzählige Male mit chemischen Waffen angegriffen, jedoch erhielten nicht alle diese Verbrechen internationale Aufmerksamkeit. So wie der Giftgasangriff durch die irakische Regierung auf mehr als zwanzig kurdische Dörfer, darunter der am 18. Juni 1987 verübte Giftgasanschlag auf die ostkurdische Stadt Sardasht. Es folgten zwei weitere Giftgasangriffe im Januar und März 1988. Nahezu zeitgleich bombardierte die irakische Regierung ebenso die südkurdische Stadt Halabdscha am 16.03.1988 mit Giftgas. Hierbei starben in etwa 4.000 bis 7.000 Menschen einen qualvollen Tod, Zehntausende wurden verletzt und leiden noch heute an den Folgeschäden. Die Giftgas-Anschläge waren Teil der so genannten Anfal-Operation des Baath-Regimes unter der Herrschaft Saddam Husseins, welche den Genozid der Kurd:innen und anderer Minderheiten zum Ziel hatte. Obwohl Basisstoffe und Anlagen zur Herstellung von chemischen Waffen nachweislich von deutschen Firmen Anfang der 80er Jahre an das irakische Regime geliefert wurden, blieb die juristische und politische Aufarbeitung ohne Konsequenzen. Die internationale Anerkennung dieses Genozids steht bislang aus.

Ähnliches spielte sich einige Jahrzehnte zuvor in der Türkei ab. Hier setzte die damalige türkische Republik unter der Führung von Mustafa Kemal Atatürk beim sogenannten Dersim-Massaker 1937/1938 Senfgas gegen alevitische Kurd*innen ein. Auch bei dem völkerrechtswidrigen türkischen Angriffskrieg gegen Kurd:innen in Rojava/Nord-Ost-Syrien kamen im Herbst 2019 chemische Waffen zum Einsatz. So hatte das türkische Militär mit ihren verbündeten Terrormilizen des IS nachweislich weißen Phosphor in Serêkaniyê und Gîrê Spî gegen die mehrheitlich kurdische Bevölkerung eingesetzt. Den Einsatz von chemischen Waffen hat inzwischen eine Schweizer Fachstelle anhand von Hautproben von Verletzten nachgewiesen. Auch hier blieb der internationale Aufschrei aus. Chemische Waffen kamen jedoch auch in vielen anderen Konflikten, wie etwa dem Vietnamkrieg (1968-1975), zum Einsatz. Die Liste ließe sich unendlich fortführen.

Die Kurdische Gemeinde Deutschland e.V. möchte daher diesen Tag nutzen, um aller Opfer chemischer Waffen zu gedenken. Wir verurteilen den Einsatz chemischer Waffen aufs Schärfste und sehen in ihm einen Anschlag auf die Menschlichkeit! Ferner fordern wir sämtliche Akteur:innen der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft auf, hierzu klar Stellung zu beziehen, ihre eigene Vergangenheit diesbezüglich aufzuarbeiten und Präventivmaßnahmen vorzunehmen. Jenen Menschen, die durch chemische Waffen Schäden erlitten haben oder gar zu Tode gekommen sind, steht die internationale Anerkennung dieser Gräueltaten als Genozid zu. Jede Nation, jedes Unternehmen und jedes Individuum, die/das an der Herstellung, Vertreibung und dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen beteiligt ist oder war, trägt eine Verantwortung für den grausamen Tod von unschuldigen Menschen und muss vor dem internationalen Gerichtshof zur Rechenschaft gezogen werden.