Deutsche Yeziden, Dr. Celalettin Kartal

Durch die Flüchtlingsströme aus Syrien und dem Irak ist die deutsche Öffentlichkeit auf die Existenz der Religionsgemeinschaft der Yeziden (oft auch „Êzîden“ geschrieben) aufmerksam geworden. Viele wünschen deshalb mehr Informationen darüber und erwarten von der Religionswissenschaft genauere Details. Hier jedoch ist oft Fehlanzeige zu beklagen, weil derartige religiöse Sondergruppen nicht zu den üblichen Inhalten einer religionswissenschaftlichen Standardausbildung gehören.

Umso erfreulicher ist, dass Dr. Celalettin Kartal: Deutsche Yeziden. Geschichte – Gegenwart – Prognosen, Marburg: Tetum Verlag 2016, ISBN 978-3-8288-3676-1 (Reihe: Religionen aktuell Bd 17) nun die entsprechenden Informationen liefert.

Nach einer Einleitung und der Eingangsfrage, wer die deutschen Êzîden sind, geht der Autor auf die Frage ein, woher die Êzîden kommen, welche Gemeinsamkeiten mit den „Geschwisterreligionen“ (Zoroastriern, Yarasan und Aleviten) bestehen und wo die Unterschiede zu den Universalreligionen liegen. Es folgt ein kurzer Abriss zur Geschichte der Êzîden unter islamischer Herrschaft, zu ihrer Flucht aus der Türkei, aus Syrien, aus dem Irak und ihr Wunsch, nach Deutschland zu kommen und sich als hier frei lebende Religionsgemeinschaft voll zu integrieren. Wichtige weitere Kapitel behandeln das êzîdische Glaubenssystem, feststellbare Auslegungsunterschiede innerhalb der Gemeinschaft der Êzîden, Fragen nach der rechtlichen Stellung der Frau und nach der religiösen Praxis der Êzîden in Deutschland und damit verbunden Fragen wie der nach der Einstellung zum Deutschen Staat und der Rolle der Tradition in neuer Umgebung sowie offene Fragen bezüglich der Erwartung, dass Êzîden nur unter Êzîden derselben Kaste heiraten sollen und Konversionen bislang nicht zugelassen sind.
Aus der Zusammenfassung (S. 120-123) seien hier einige wichtige Aussagen zum Êzîdentum zitiert:

Êzîden besitzen einen reichen Fundus an Hymnen, Gebeten und Legenden. Es gibt bei den Êzîden keine ausgebildeten Theologen wie z.B. Pfarrer oder Priester. Êzîden haben sog. religiöse Würdenträger, die zwar alle ihre murîds haben, aber nur die wenigsten von ihnen haben die religiösen Texte memoriert und können sie vortragen. Die meisten Êzîden wissen wenig über ihre Religion und deren Inhalte.

Gott hat bei den Êzîden einen Chefengel: Der êzîdische Gott weist gewisse Besonderheiten auf: Nach êzîdischer Auffassung trat Gott nur bei der Schöpfung aktiv in Erscheinung. Alle Engel unterstehen der Befehlsgewalt des obersten Erzengels, der sich an dem göttlichen Plan aktiv mit beteiligt hat.

Es würde zu weit führen, hier alle Details der Zusammenfassung zu wiederholen. Die aufgeführten sollen aber zeigen, weshalb die Êzîden nach islamischem Recht nicht unter die geduldeten Religionsgemeinschaften der „Leute des Buches“ (also Juden, Christen, Zoroastrier u.a.) fallen und daher stets illegal innerhalb des islamischen Reiches überlebt haben, sofern sie nicht offen verfolgt wurden.

Als besonders wertvoll ist schließlich für das Buch neben einem ausführlichen Literaturverzeichnis die Vorstellung wichtiger Studien über die Êzîden (S. 124-135) hervorzuheben, die auf Türkisch, Kurdisch, Englisch und Deutsch vorliegen und folglich nicht alle in gleicher Weise den am Êzîdentum Interessierten zugänglich sind.

All dies zeigt hoffentlich, weshalb das Buch für die Religionswissenschaft ein großer Gewinn ist und alle nur erdenkliche Beachtung verdient.

Prof. Dr. Dr. Peter Antes
Institut für Theologie und Religionswissenschaft
Leibniz Universität Hannover