Vorstandsmitglieder der Kurdischen Gemeinde Deutschland unternehmen Delegationsreise nach Süd-Kurdistan
Die Mitglieder des Bundesvorstandes der Kurdischen Gemeinde Deutschland, Mona Kizilhan und Turan Tekin, reisten im Oktober 2022 in die Autonome Region Kurdistan im Norden des Irak um sich vor Ort einen Einblick in die politische, gesellschaftliche und humanitäre Situation zu verschaffen.
Dies ist insofern notwendig gewesen, da in den letzten Jahren vermehrt Kurdinnen und Kurden aus der Region sich auf den gefährlichen Weg nach Deutschland machten. Nicht wenige derer, die es nach der beschwerlichen Flucht bis nach Deutschland geschafft haben, erhielten von der Kurdischen Gemeinde Deutschland ihre Erstbetreuung und Orientierungshilfen um zügig kommunale Integrationsangebote wahrzunehmen.
Auch jährte sich der barbarische Überfall und der Genozid an den Jesiden zum achten Male, sodass neben dem Gedenken an die Opfer angesichts des erneut bevorstehenden Winters der Austausch mit den Überlebenden, die noch immer in Flüchtlingscamps leben, unsere besondere Aufmerksamkeit bedürfen. Jede Begegnung bedeutet wichtige Impulse für die humanitäre Hilfe, die nicht nachlassen darf. Auf dem Gesprächsprogramm stand daher auch ein Treffen mit der religiösen Führung der jesidischen Glaubensgemeinschaft. Auch hier das zentrale Thema: Sicherheit und Perspektive der Geflüchteten.
Neben der konkreten humanitären Hilfe, die dringend benötigt wird, um die Menschen durch den Winter zu bringen, ist auch die traumatologische Betreuung der Überlebenden ein zentraler Aspekt der humanitären Hilfe. Daher besuchten unsere Vorstandsmitglieder in Duhok das Institut für Psychotherapie und Psychotraumatologie (IPP), das mit einem Masterstudiengang Therapeuten vor Ort ausbildet, die u.a. schwer traumatisierte Menschen in den Flüchtlingscamps behandelt.
Der Dekan des Instituts, Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan, Vizedekanin Dr. Bohar Suleiman Isa sowie Mitarbeitende des Instituts begrüßten die beiden Vertreter der kurdischen Gemeinde Deutschland sehr herzlich und berichteten über ihre Arbeit mit den Studierenden und den Umgang mit der Behandlung mit den schwer traumatisierten Patienten. Dr. Bohar bedankte sich ausdrücklich für die gute Kooperation mit den deutschen Hochschulen und Unterstützung durch das Auswärtige Amt.
Auch das Treffen mit dem Präsidenten der Univesität Duhok, Prof. Dr. Dawood Atrushi sowie Prof Dr. Rund Hammoudi, zuständig für internationalen Beziehungen, geriet in einer überaus konstruktiven und herzlichen Atmosphäre.
Prof. Dr. Dawood berichtete, dass insgesamt 32.000 Studierende an der Universität Duhok in 19 verschiedenen Fachrichtungen, u.a. Medizin, Kunst und Geographie, studieren. Die Studierenden aus Shingal und Rojava können uneingeschränkt an der Universität Duhok studieren. Prof. Dr. Atrushi hob hervor, dass er sehr gerne die Zusammenarbeit mit deutschen Universitäten ausbauen möchte. Derzeit würde mit den Universitäten Oldenburg, Gießen, Tübingen, Dortmund und der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) gemeinsame Projekte durchgeführt.
Das Flüchtlingscamp Esyan in der Region Shekhan stand ebenfalls auf dem Programm der Delegationsreise. Hier leben über 13.000 Menschen, die angesichts der weltpolitischen Krisen Gefahr laufen, von der Weltöffentlichkeit vergessen zu werden.
Der Campleiter erklärte, dass es bedrückend sei, dass die Menschen nicht in ihre Siedlungsgebiete zurückkehren könnten. So seien z.B. 200 Familien, die vor einigen Monaten nach Shingal zurückkehrten, aufgrund militärischer Auseinandersetzungen verschiedener paramilitärischer Gruppen gezwungen, ihre Heimat erneut zu verlassen und im Camp Schutz zu suchen.
In den Gesprächen berichteten die Menschen immer wieder, dass sie endlich wieder nach Hause zurückkehren wollen und die Situation im Camp unerträglich sei. Einige junge Frauen haben sich im Camp bereits das Leben genommen, da die Situation so unerträglich und die Hoffnungslosigkeit sehr groß sei. Die Schilderungen der Überlebenden im Camp über den Verlust von ihren Familienmitgliedern, die Flucht und das Leben in den Camps berührten zutiefst.
Die Möglichkeit, an einer Sitzung des hohen Rates der Jesiden in Lalesh teilzunehmen bot den beiden Vorstandsmitgliedern mit den beiden höchsten Repräsentanten der jesidischen Glaubensgemeinschaft, den Prinzen Mir Hasem Beg und Babasheikh zu sprechen. Im Anschluss an dien Sitzung erklärten sie in einer Presseerklärung, dass sie alles tun wollen, damit die Jesiden nach Shingal zurückkehren können.
Seinen Abschluss fand die Delegationsreise mit einem Besuch beim kurdischen Fernsehsender Rudaw und einem herzlichen Empfang und offenen Austausch mit Sven Mossler dem stellvertretenden deutschen Generalkonsul in Erbil.
Als Resümee ziehen Mona Kizilhan und Turan Tekin aus ihrer einwöchigen Reise die große Bedeutung der humanitären Hilfe der Weltgemeinschaft und den Kampf gegen das Vergessen der Opfer des Genozids. Hierzu können Kurdinnen und Kurden in Europa einen nach größeren Beitrag leisten.