PRESSEMITTEILUNG: 40/1304-2015

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Im April 2015 jährt sich zum 100. Mal der Jahrestag des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich. Über 1,5 Millionen Menschen fanden dabei einen grausamen Tod. Dieser Genozid, der sich gegen die christliche Urbevölkerung Anatoliens richtete, war der Beginn einer systematischen Entchristlichung und konsequenten Islamisierung der einst kulturell und religiös vielfältigen anatolischen Provinzen. Weder das Osmanische Reich noch sein Rechtsnachfolger, die türkische Republik haben das an den Armeniern begangene Unrecht anerkannt. Vielmehr ging man soweit, den Völkermord nicht nur zu leugnen, sondern auch zu verkehren. Die türkische Propagandamaschinerie unterstellte den Armeniern selbst, massenhaft Morde an Türken begangen zu haben.

Ali Ertan Toprak, Bundesvorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland bezeichnet dies als den unerträglichen Versuch, aus Tätern Opfern und aus Opfern Tätern zu machen. Diese historische Verkehrung und Leugnung war und ist die größte Respektlosigkeit, die man den Opfern und den Nachfahren entgegenbringen konnte, doch das darf keine Zukunft mehr haben. 100 Jahre Leugnung sind mehr als genug“, so Toprak weiter.

Gerade angesichts der aktuellen Lage im Nahen Osten, wo erneut Armenier und andere religiöse und ethnische Minderheiten ins Visier nationalistischer oder islamistischer Terrorgruppen geraten, muss die internationale Gemeinschaft der erneuten Gefahr der Vernichtung entschiedener als bisher entgegentreten. Dazu gehört auch der kritische und ehrliche Umgang mit der Vergangenheit. „Wenn wir die historischen Fakten nicht anerkennen und aufarbeiten, dann säen wir den Boden für neue Völkermorde“ stellt Toprak fest und verweist auf die jüngste Äußerung des Oberhaupt der katholischen Kirche, der das Geschehene als Genozid bezeichnet und einen ehrlichen Umgang mit der schwierigen Vergangenheit angemahnt hat, denn so Papst Franziskus: „wer das Böse leugne, lasse zu, dass eine Wunde ohne Behandlung weiterblutet“. Die türkische Regierung reagierte wie gewohnt mit Drohungen und Einschüchterungsversuchen und zog ihren Botschafter aus dem Vatikan ab. Dieses Reaktionsmuster scheint ohnehin die einzige Umgangsform zu sein, mit der Ankara auf dieses Thema reagiert.

Den Vorschlag der türkischen Regierung, eine Historikerkommission einzuberufen, die untersuchen solle, ob die Armenier überhaupt verfolgt worden seien, sieht die Kurdische Gemeinde Deutschland als eine unerträgliche Verschleppung der längst fälligen Aufarbeitung. Umso mehr ist Toprak darüber überrascht, dass die Bundesregierung sich nicht durch die offenen Worte des Papstes ermutigt fühlt, das offen auszusprechen, was in Berlin hinter vorgehaltener Hand ohnehin als Völkermord bestätigt wird. Sich von Ankara einschüchtern zu lassen und die türkische Verschleppungstaktik ernsthaft zu eigen zu machen, lässt die historische Chance, den der 100. Jahrestag des Völkermords bietet, ungenutzt verstreichen. Dabei hätte Deutschland mit der vorbildlichen Aufarbeitung der eigenen nationalsozialistischen Vergangenheit für die Türkei Vorbild sein können und das, was 1915 geschehen ist, als das bezeichnen, was es auch war, nämlich Völkermord!