Erdbebenhilfe– Bericht
Bei dem schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien vom 6. Februar verloren über 52.000 Menschen ihr Leben, über 125.000 wurden im Zuge des Erdbebens verletzt, Millionen sind inzwischen obdachlos.
Bereits in den ersten Tagen nach dieser verheerenden Katastrophe waren die Menschen in Deutschland bereit, den Menschen in den betroffenen Regionen durch Finanz- und Sachspenden zu helfen. Auch die Kurdische Gemeinde Deutschland erreichten immer wieder Anfragen von Privatpersonen und Unternehmen, wie sie den Menschen in den kurdischen Gebieten der Türkei und Syrien helfen könnten. Aufgrund von Erfahrungen in der Vergangenheit und frühen Meldungen, dass die türkischen Behörden Sachspenden beschlagnahmen und teils umleiteten, entschieden wir uns von Beginn an gegen die Sammlung von Sachgütern. Um gewährleisten zu können, dass die Hilfe wirklich bei den Menschen ankommt, auf die sie angewiesen sind, sammelt die KGD ausschließlich Finanzspenden.
Unsere Kampagne stieß auf eine überwältigende Hilfsbereitschaft. Innerhalb von wenigen Wochen kamen Spenden in Höhe von 243.377,27- € zusammen (Stand 10.03.2023). Die hohe Spendenbereitschaft der Menschen in Deutschland erfüllt uns mit Dankbarkeit über das uns entgegengebrachte Vertrauen. Mit dem folgenden Bericht möchten wir Sie, die Öffentlichkeit und vor allem unsere Spender:innen, über den Stand unserer Hilfsaktion informieren.
Bereits am 10. Februar, nur wenige Tage nach dem Beben, erreichten die ersten Hilfsgelder in Höhe von 10.000,00€ die Erdbebenregion in der Türkei, überbracht von einer Vertrauensperson der Kurdischen Gemeinde Deutschland.
Während eines zweiten Aufenthaltes im Erdbebengebiet Nordkurdistans/Türkei vom 17. bis zum 27. Februar, koordinierten wir die Verteilung von Hilfsgütern im Wert von weiteren 100.000,00€.
Ein Team der Kurdischen Gemeinde aus Deutschland und weiteren Personen aus der gesamten Türkei, koordinierte, in Zusammenarbeit mit lokalen Vereinen und Initiativen, die Versorgung der Menschen in den Provinzen Adıyaman, Maraş, Diyarbakır und Malatya, Antakya, Mersin und Hatay.
Nach einer Abstimmung über dringend benötigte Güter, wurde entschieden, dass die Menschen mit Lebensmittel- und Hygienepaketen versorgt werden müssen. Aufgrund der starken Zerstörung und dem Verlust ihres gesamten Eigentums, haben viele Überlebende gegenwärtig keinen Zugang zu ihren Bankkonten und sind somit nicht in der Lage Dinge des alltäglichen Bedarfes selbst zu erwerben, daher entschied man sich in besonders schweren Fällen auch Beträge von etwa 100,- € bar auszuhändigen.
Am 19. Februar wurden in den umliegenden Dörfern Adıyamans 200 Lebensmittelpakete verteilt. Sämtliche Lebensmittelpakete enthielten Grundnahrungsmittel wie u.a. Reis, Nudeln, Zucker und Öl. Darüber hinaus wurde in einem weiteren Dorf den Menschen ein Wohncontainer zur Verfügung gestellt, um die Unterbringung eines Krebskranken und seiner Angehörigen zu gewährleisten. Ebenfalls am 19. Februar wurden in Diyarbakir 2.000 warme Mahlzeiten ausgegeben.
Am folgenden Tag konnten wir in Malatya einer Stiftung 200 Lebensmittelpakete überreichen und diese gemeinsam mit ihr in der Stadt verteilen. Zusätzlich wurden 20 Zelte zur Unterbringung von obdachlos gewordenen Menschen übergeben. Weiterhin erhielten 50 Familien jeweils kleine Geldspenden.
Die Menschen im Landkreis Çelikhan konnten ebenfalls mit 200 Hygienepaketen versorgt werden. In Dogansehir verteilten wir Lebensmittel- und Hygienepakete, einige Familien erhielten auch hier kleine Geldspenden.
Als Kurdische Gemeinde Deutschland ist es uns ein Anliegen allen Menschen, unabhängig ihrer religiösen oder ethnischen Herkunft, gleichermaßen zu helfen. In der etwa 160.000 Einwohner:innen zählenden Stadt Elbistan unterstützen wir die alevitische Gemeinde finanziell und mit Hygienepaketen. Mit diesem Geld unterstützt die alevitische Gemeinde der Stadt die Bevölkerung mit Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs.
Die Situation vor Ort war und ist hinsichtlich der hygienischen Bedingungen katastrophal. Aufgrund der massiven Erdbebenschäden fehlt Millionen Menschen der Zugang zu einfachsten Dingen wie Waschgelegenheiten, der Möglichkeit Kleidung zu reinigen oder zu wechseln sowie ihrer täglichen Körperhygiene nachzukommen. Unsere Hygienepakete enthielten daher von Beginn an, neben Seife und Shampoo, auch Hygieneartikel für Frauen.
Recht schnell wurde klar, dass diese Produkte dem Bedarf nicht gerecht werden, sodass die Pakete um Unterwäsche für Frauen und Kinder erweitert wurden. Im Anschluss an die Unterstützung der alevitischen Gemeinde Elbistan, ging es für unser Team weiter nach Antep. Hier verteilten wir 150 Lebensmittelpakete und unterstützten einige Familien finanziell durch kleine Geldspenden.
Am darauffolgenden Tag ging es nach İslahiye, einer Stadt mit 67.000 Einwohnern nahe der türkisch-syrischen Grenze. Hier verteilten wird 500 Hygienepakete und 200 Lebensmittelpakete. Aufgrund der Nähe zur in Syrien gelegenen Region Afrin befinden sich in der Stadt auch Flüchtlingsfamilien, die vor der Gewalt im Nachbarland Schutz suchten. Ihrer besonderen Situation wegen erhielten fünf Flüchtlingsfamilien eine finanzielle Unterstützung.
In der Kleinstadt Nurhak wurden 2.000 Hygienepakete, 200 Lebensmittelpakete und 20 Zelte zur Unterbringung obdachlos gewordener Menschen verteilt. Ebenso erhielten 150 Familien eine finanzielle Unterstützung, um sich mit Dingen des alltäglichen Bedarfs selbst versorgen zu können. In Antakya wurden 4.000 Hygienepakete verteilt.
Bei der Verteilung der Spenden versuchen wir weiterhin, vor allem jene Dörfer und kleineren Städte zu erreichen, die von den türkischen Behörden bisher vernachlässigt wurden. Meist handelt es sich dabei um solche Orte, die überwiegend von Kurd:innen oder der Religionsgemeinschaft der Aleviten bewohnt werden. Hier ist bis heute die Not am größten. Als Verband der die Interessen der Deutsch-Kurd:innen vertritt und vorrangig in Deutschland aktiv ist, verfügen wir in der Region vor allem über Vertrauenspersonen die uns als lokales Netzwerk dienen und unsere Tätigkeit aktiv personell unterstützten und hierfür aus anderen Teilen der Türkei anreisten. Damit die Versorgung der Menschen in der Region auch über unsere persönliche Anwesenheit hinaus gewährleistet werden kann, unterstützten wir auch lokale Projekte und Initiativen, die die Versorgung der Menschen auch weiterhin übernehmen. In Mersin erhielt die alevitische Gemeinde einen vierstelligen Betrag für den Betrieb ihrer Küche, über welche die Menschen in der Stadt mit warmen Mahlzeiten versorgt werden. In der Stadt Samandaği wurde ein Projekt mit einem ebenfalls vierstelligen Betrag unterstützt, welches eine Zeltstadt und die Versorgung mit Lebensmittel organisiert. Eine lokale Initiative, die die Versorgung der Menschen sicherstellt, erhielt in der Stadt Pazarcik eine finanzielle Zuwendung, um ihre Hilfsangebote sicherzustellen.
Ohne die Hilfe, der in den Kommunen verwurzelten und vernetzten Partner, wäre unsere Arbeit in diesem Umfang nicht möglich gewesen. Gemeinsam wurden in Zelte zur Kinderbetreuung organisiert. Ebenso erhielt in Malatya die Lehrergewerkschaft einen dreistelligen Betrag für Lebensmittel.
Drei obdachlosen Studenten finanziert die KGD außerdem ihre Miete für die nächsten drei Monate, um ihre Unterbringung sicherzustellen.
Insgesamt verteilten wir mit der Handelskammer Diyarbakir 40.000 Hygienepakete und über 1.000 Lebensmittelpakete in der Zeit vom 17. bis zum 27. Februar. Sämtliche Sachspenden, die wir verteilten, wurden in der Türkei erworben und durch uns und unsere Partner persönlich verteilt, um zu gewährleisten, dass die Hilfe und damit Ihre Spenden dort ankommen, wo sie gebraucht werden.
Derzeit verbreiten sich Seuchen und Krankheiten. Zu Beginn des Monats März veranlassten wir die Lieferung von 26.000 Liter Trinkwasser nach Pazarcik, da die Menschen über verseuchtes Wasser klagen.
Hilfsmaßnahmen in Afrin
Wie wir bereits am 15. Februar dieses Jahres auf unseren Social-Media-Kanälen berichteten, erhielten bereits im Februar 250 Familien in Afrin Geldspenden durch Überweisungen. Das im Nordwesten Syriens (Rojava- Westkurdistan) gelegene Afrin ist seit 2018 unter türkischer Besatzung und wird durch die islamistische Miliz Hayat Tahrir al Sham (HTS), einer Nachfolgeorganisation der syrischen Al-Qaida, verwaltet und kontrolliert. Die angespannte politische Situation in der Region erlaubt es uns daher gegenwertig nicht die Hilfe vor Ort selbst zu organisieren. Sobald es uns möglich ist, werden wir in Rojava unsere Hilfe wieder aufnehmen. Wir bewerten die Lage dort täglich und wissen um die Dringlichkeit. Die islamistischen Milizen und ihre Schutzmacht Türkei erschweren eine ungehinderte und schnelle Hilfe.
Zu besonderem Dank sind wir unserem Beiratsmitglied Tobias Huch verpflichtet. Seine Liberale Flüchtlingshilfe unterstützt unsere Arbeit im Erdbebengebiet mit 50.000- €.