„Das Verbot kommt deutlich zu spät“ – Cicero-Interview mit Ali Ertan Toprak
Faeser verbietet Islamisches Zentrum Hamburg
„Das Verbot kommt deutlich zu spät“
Das Bundesinnenministerium hat ein Vereinsverbot gegen das Islamische Zentrum
Hamburg ausgesprochen. Im Interview spricht Ali Ertan Toprak über die jahrelangen
Versäumnisse des rot-grünen Senats in Hamburg und die gescheiterte Islam-Politik
in Deutschland.
INTERVIEW MIT ALI ERTAN TOPRAK am 24. Juli 2024
Ali Ertan Toprak ist ein deutscher Politiker (CDU) kurdischer Abstammung und lebt in Hamburg.
Er ist führender Repräsentant der Kurdischen Gemeinschaft in Deutschland e.V.
Herr Toprak, die Debatte über ein mögliches Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg
gibt es bereits seit Jahrzehnten. Denn seit Jahren ist bekannt, dass die Blaue Moschee der
verlängerte Arm des iranischen Regimes in Deutschland ist. Warum hat es so lange
gedauert, bis es verboten wurde?
Ja, die Debatte über ein mögliches Verbot gibt es schon seit Jahren, denn das Islamische
Zentrum Hamburg wird bereits seit über 30 Jahren beobachtet. Sicherheitsbehörden wussten
in all den Jahren immer, welche Gefahr von dieser Einrichtung ausgeht. Doch seit Jahrzehnten
haben wir in der Bundesrepublik eine Appeasement-Politik gegenüber dem Iran an den Tag
gelegt. Man hatte schlichtweg Angst vor dem Iran und wollte sich mit Teheran nicht anlegen.
Im Zuge der Diskussionen 2022 um das zehnjährige Bestehen der Staatsverträge zwischen
Hamburg und islamischen Gemeinden forderten viele gesellschaftlichen Gruppen und auch
wir als Kurdische Gemeinde Deutschlands ein Verbot des Islamischen Zentrums. In den
letzten Jahren habe ich mich immer wieder an Demonstrationen gegen das Islamische
Zentrum Hamburg beteiligt. Die rot-grünen Regierungsparteien im Senat haben uns einfach
ignoriert. Man behandelte uns arrogant und von oben herab.
Was ist vorgefallen?
Religionspolitiker wie der sozialdemokratische Ekkehard Wysocki haben uns bei
Veranstaltungen regelrecht angemacht. Uns wurde nicht nur Ahnungslosigkeit, sondern sogar
„antimuslimischer Rassismus“ vorgeworfen. Das empfanden meine Mitstreiter und ich als
zutiefst unfair und ungehörig. Denn die Hamburger Verfassungsschutzberichte bestätigten
unsere Kritik regelmäßig. Diese rot-grünen Religionspolitiker aus Hamburg müssen sich
endlich bei all den demokratischen NGOs entschuldigen, die sich für ein Verbot des
Islamischen Zentrums eingesetzt haben und derart respektlos behandelt wurden.
Was, denken Sie, war der politische Grund, warum Bundesinnenministerin Faeser das
Islamische Zentrum Hamburg nach all den Jahren der Debatte nun doch hat verbieten
lassen?
Ich habe vor drei Jahren beim Bundesgeneralanwalt noch Strafanzeige gegen das Islamische
Zentrum Hamburg erstattet. Nach ein paar Wochen erhielt ich dann ein Schreiben, dass das
Verfahren eingestellt wurde. Im September stehen die Landtagswahlen in Ostdeutschland an,
und die Videos der Kalifats-Demonstrationen in Hamburg und des tödlichen Attentats in
Mannheim haben viele Menschen geschockt. Die Debatte hat sich seither deutlich verändert,
was die Ampelkoalition erheblich unter Handlungsdruck setzt.
Außerdem kam nach den Terrorangriffen der Hamas auf Israel, die aus Teheran maßgeblich
unterstützt wird, Bewegung in den Prozess. Denn das Islamische Zentrum Hamburg gilt auch
als eine Propagandazentrale für Judenhass. Das Bundesinnenministerium begann nach
eigenen Angaben erst im Januar mit der konkreten Verbotsprüfung.
Können Sie sich trotzdem über die Entscheidung freuen?
Die Entscheidung der Bundesinnenministerin war längst überfällig. Ich kann mich kaum
freuen, denn das Verbot des Islamischen Zentrums kommt deutlich zu spät. Außerdem
empfinde ich es als sehr scheinheilig, wenn die Hamburger SPD und die Grünen, die das
Problem beide jahrelang nicht sehen wollten und Kritiker kleingemacht haben, das Verbot nun
als großen Schritt in der Bekämpfung des religiösen Extremismus feiern.
Welche genaue Rolle spielte das Islamische Zentrum Hamburg in der Deutschland-Politik
des Irans?
Das Islamische Zentrum Hamburg war der Außenposten des iranischen Regimes für
Deutschland und Europa, der mit wichtigen und besonders systemtreuen Vertretern des
Mullah-Systems besetzt wurde. Nach außen hin gab sich das Islamische Zentrum als eine
gewöhnliche Moschee, doch in der Realität organisierte man von Hamburg aus die ganze
Spionage der iranischen Opposition in Europa und war ein Propaganda-Zentrum Teherans in
Deutschland.
Schauen Sie: In den letzten Jahrzehnten gab es viele Attentate auf iranische Oppositionelle.
Ein bekanntes Beispiel ist das Mykonos-Attentat in Berlin, bei dem 1992 vier iranischkurdische
Exilpolitiker im Auftrag des iranischen Geheimdienstes VEVAK in einem Restaurant
hingerichtet wurden. All das wurde in vergangenen Jahren und Jahrzehnten von Hamburg aus
gesteuert.
Und all das hat den rot-grünen Senat kalt gelassen?
Erst durch den Frauen-Aufstand im Iran 2022 wurde der rot-grüne Senat kritischer und hat
seine Haltung gegenüber dem Islamischen Zentrum überdacht. Was ich sehr traurig finde: Es
mussten im Iran dutzende Frauen sterben, damit der Senat in Hamburg reagiert. Das kann im
Kampf gegen den politischen Islam allerdings auch erst der Anfang gewesen sein. Denn in
Hamburg gibt es noch weitere islamistische Bedrohungen, die der Senat weiterhin duldet.
An welche islamistische Organisationen denken Sie?
Der Hamburger Senat hat 2012 mit Vertretern des politischen Islams Staatsverträge
abgeschlossen. Unter diesen Vertretern ist die türkische Milli-Görus-Bewegung einer der
Tonangeber. Sie steht nicht nur Erdogan sehr nahe, sondern ist auch offen islamistisch und
antisemitisch. Die Erdogan direkt unterstellte Ditib spioniert in Deutschland ebenfalls
Oppositionelle aus und ist damals auch ein Vertragspartner mit Hamburg gewesen. In ihren
Moscheen haben sie Kinder in Militäruniformen aufmarschieren lassen, als die Türkei
völkerrechtswidrig in Syrien einmarschiert ist. Ähnlich wie gegenüber dem Iran betreibt
Deutschland auch eine Appeasement-Politik gegenüber der Türkei, da sich unsere Politiker
vor den möglichen Reaktionen Erdogans fürchten.
Der rot-grüne Senat möchte nicht zugeben, dass es ein Fehler war, mit diesen Islamverbänden
Staatsverträge abzuschließen. Dabei ist Hamburg ein Hotspot der islamistischen Szene in
Deutschland. Der rot-grüne Senat sitzt dem Trugschluss auf, in einen Dialog mit Islamisten
treten zu können. Doch das funktioniert nicht. Schauen Sie: All die Probleme, die wir derzeit
mit der muslimischen Community haben, liegen daran, dass die Politik die Islamverbände viel
zu lange hat gewähren lassen. Wir reagieren immer erst, wenn es zu spät ist. Ein Beispiel: An
unseren Schulen werden säkulare muslimische Schüler von religiösen muslimischen Kindern
gemobbt und kontrolliert, ob sie schariakonform handeln.
Braucht es weitere Verbote gegen ausländische Organisationen?
Ja, seit fast vier Jahren liegt der Prüfungsantrag zum Verbot der „Grauen Wölfe“ bei der
Bundesinnenministerin vor. Die Grauen Wölfe sind türkische Rechtsextremisten und die
größte rechtsextremistische Organisation in Deutschland. Sie gefährden das friedliche
Zusammenleben in Deutschland. Hoffentlich braucht das Bundesinnenministerium nicht
wieder 30 Jahre.
Wie bewerten Sie allgemein die Politik der Ampelkoalition mit Blick auf die Bekämpfung
des politischen Islams?
Die erste Amtshandlung von Nancy Faeser als Bundesinnenministerin war es, den
„Expertenkreis Politischer Islamismus“ in ihrem Haus aufzulösen. Gleichzeitig wurde der
„Expertenkreis Muslimfeindlichkeit“ fortgeführt. Das sagt doch schon vieles aus. Das war eine
riesige Fehlentscheidung. Dieses Handeln Nancy Faesers in der Islampolitik steht sinnbildlich
für die rot-grüne Ideologie.
Islamismus wird in Deutschland leider erst als gefährlich betrachtet, wenn er gewalttätig
auftritt. Die legalistischen Islamisten – und als solche muss man die Islamverbände in
unserem Land fast allesamt bezeichnen – sind zwar nicht gewalttätig, aber sie bereiten den
Boden mit ihrer islamistischen Ideologie vor. Der legalistische Islamismus ist langfristig viel
gefährlicher als der dschihadistische, gewalttätige Islamismus. Islamisten sind wie Schlangen,
die ihr Gift gezielt in die Gesellschaft absondern.
Das Gespräch führte Clemens Traub.
—————————————————————————————————————-
Das Interview wurde auf folgender Website veröffentlicht: https://www.cicero.de/innenpolitik/faeser-verbietet-islamisches-zentrum-hamburg-ali-ertan-toprak