Anti-Kurdischer Rassismus in deutschen Medien
von Kehy Mahmoud
In der Berichterstattung der deutschen Medien nehme ich größtenteils eine systematische Diskriminierung der kurdischen Identität wahr. Indem Medienschaffende die Verwendung von Begriffen wie Kurdinnen, Kurden oder Kurdistan vermeiden, leisten sie einen Beitrag zur Negierung aller kurdischstämmigen Menschen. Ein solcher medialer Ausschluss von Kurdinnen und Kurden führt zu Benachteiligung, Abwertung und ist schlichtweg Ausdruck von Rassismus. Es wird offensichtlich: Die deutschen Medien sind mehrheitlich weder objektiv noch frei von politischen Einflüssen.
Doch wieso werden Kurdinnen und Kurden medial negiert?
In der öffentlichen Wahrnehmung sind die 1,5 Millionen in Deutschland lebenden Kurdinnen und Kurden unterrepräsentiert, weil sie oft als Türken, Perser, Syrer und Iraker dargestellt und damit ethnisch als Türken oder Araber begriffen werden. Dass es nicht richtig ist, weisen die Neuen Deutschen Medienmacher in ihrem Glossar hin. Beispielsweise sind kurdischstämmige Menschen keine “Türken“, da sie nicht türkischstämmig sind und sich nicht als „türkisch“ verstehen. Eine angemessene Bezeichnung wäre Türkei-stämmige Kurdinnen/Kurden. Diese Erklärung greift genauso auf die anderen Herkunftsstaaten von Kurdinnen und Kurden.
Aus diesen Gründen ist eine mediale Differenzierung ethnischer Herkunft unabdingbar.
Das kurdische Volk gehört einer eigenständigen Ethnie an, sie zählt zu den ältesten Völkern im Nahen Osten und macht dort die drittgrößte Nation aus. Die Mehrheit der drittgrößten kurdischen Migrantengruppe in Deutschland flieht seit Jahrzehnten vor ethnischer und politischer Verfolgung, Zwangsassimilation und Unterdrückung aus der Türkei, dem Iran, Syrien und dem Irak nach Deutschland. Mehr als 300.000 Kurdinnen und Kurden wurden aufgrund ihrer Ethnie in den 1960er Jahren in Arabisierungskampagnen des syrischen Regimes zu Staatenlosen erklärt. Noch heute sind die Folgen der Arabisierungskampagnen in Form von Diskriminierung und Stigmatisierung spürbar. So haben Kurdinnen und Kurden kein Recht auf Bildung, politische Teilhabe oder andere gesellschaftliche Einflussmöglichkeiten.
Warum leugnen deutsche Medienschaffende die Ethnie kurdischstämmiger Menschen und vermeiden bestimmte Begriffe wie (Kurdistan, -oder Kurdisch)?
Miedenexperten und Vertreter Kurdischer NGO’s sehen den Hauptgrund darin, dass sie die Konfrontation mit türkischen Nationalisten und Rechten meiden wollen. Der direkte Einfluss des Türkischen Staates auf die Bundesregierung wirkt sich auch auf die mediale Berichterstattung über Kurdinnen und Kurden aus. Oft wird diese Leugnung damit begründet, dass kurdischstämmige Menschen in den amtlichen Statistiken entsprechend der Staatsangehörigkeit der Herkunftsländer identifiziert werden. Die Anerkennung der kurdischen Identität wird zu einem Politikum gemacht.
Die Zwangsassimilationspolitik der Herkunftsstaaten gegenüber Kurdinnen und Kurden wird durch diese Praxis in Deutschland fortgeführt. Das Recht auf gleichberechtigte und wahre Darstellung in deutschen Medien wird kurdischen Menschen generell verwehrt. Damit dieser Teufelskreis des Rassismus und des Negierens ein Ende findet, muss die ethnische Zugehörigkeit von Kurdinnen und Kurden gerechterweise ebenso korrekt benannt und respektiert werden, wie die aller anderen.
Sprachlicher Rassismus
Anti-kurdischer Rassismus in deutschen Medien lässt sich auch in der Sprache feststellen. Nur um das „Kurdische“ zu umgehen, werden allerlei fantasievolle Bezeichnungen erfunden. Krampfhaft wird das Kurdische umschrieben, bloß um eine Stadt, einen Gegenstand oder einen Sachverhalt nicht kurdisch labeln zu müssen. Medien prägen die allgemeine Bildung mit ihrer Sprache, produzieren Stereotype und Klischees. Indem kurdische Themen nur in negativen Kontexten vorkommen, wird ein äußerst negatives Bild der kurdischen Identität geschaffen.
Des Weiteren werden Realitäten ignoriert und so getan, als ob es Kurdinnen und Kurden, ihre Geschichte oder ihr jahrtausendaltes Siedlungsgebiet nicht geben würde. Sofern kurdische Themen in der Berichterstattung deutscher Medienhäuser einen Platz finden, werden herabwürdigende und entmenschlichende Worterfindungen geschaffen. So ist in vielen Artikeln des Jahres 2021 von „Kurdenchef“ oder „Kurdenregion“ zu lesen, als hätten sie einen Herden-Chef beschrieben.
Zwei konkrete Beispiele
Beispiele Inlandsberichterstattung
Erfolgsgeschichten von Kurdinnen und Kurden werden kaum wahrgenommen, weil sie von deutschen Medien, aus den oben genannten Gründen, als Errungenschaft von „Arabern“ (Irakern, Syrern) oder „Türken“ verkauft werden.
Wie die gelungene Integration der Kurdin und 1,0er Abiturientin Delovan Moustafa aus Berlin. Zahlreiche Medien (Berliner Tageszeitung, RTL, Stern, Berliner Kurier etc.) verkauften im Sommer 2021 die Geschichte des aus Syrien geflohenen kurdischen Mädchens, ohne auch nur mit einem Wort ihre kurdische Identität zu erwähnen. Delovan, jedoch, sprach mit dem Kurdischen Sender Rudaw über ihren Erfolg überraschenderweise in ihrer kurdischen Muttersprache. Anzuerkennen ist ja, dass sie als positives Beispiel von Migrantenkindern dargestellt wurde, nur ist sie eben kurdischer Abstammung oder syrische Kurdin, wie sie selbst bestätigte.
Ein weiteres negatives Exampel deutscher Auslandsberichterstattung zu kurdischen Themen war von Markus Rosch, ausgestrahlt am 9.11.2021 in der Tagesschau24.
Der ARD-Korrespondent verdrehte Informationen und bezeichnete in seinem Bericht die Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan Arbil als „multiethnisch“, obwohl die Bewohner der offiziellen kurdischen Haupstadt Arbil mehrheitlich kurdischer Ethnie angehören. Schlussendlich ist es eine Kurdische Stadt, eine kurdische Hauptstadt. Rosch hat hier die Information nicht wahrheitsgetreu wiedergegeben. Für einen Nahost-Korrespondenten der öffentlich-rechtlichen ARD müsste bekannt sein, sowohl der Status als auch die Bezeichnung der Autonomen Region Kurdistan seit 2005 in der irakischen Verfassung stehen und mittlerweile international Anerkennung findet, nur nicht in deutschen Medien. Hat Rosch die journalistische Sorgfaltspflicht absichtlich verletzt?
Mit dem Verweis auf Artikel 3 des Grundgesetzes, wird mit der Diskriminierung von Kurdinnen und Kurden deren Grundrecht verletzt. Die Selbstwahrnehmung und das Zugehörigkeitsgefühl von Millionen von Kurdischen Menschen ist zu respektieren. Aus diesem Grund ist eine mediale Differenzierung sehr notwendig. Zur Erinnerung, der genaue Wortlaut des Artikels im Grundgesetz.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
In der Berichterstattung über Kurdinnen und Kurden missachten deutsche Medienschaffende aus journalistischer Sicht damit ihre Arbeitsethik. Die Richtlinien im Pressekodex des Presserats sollten allen Journalisten bekannt sein. Um nur einige der mir aufgefallenen missachteten Punkte in der medialen Darstellung von kurdischen Themen grob aufzuzählen: Wahrhaftigkeit, Neutralität, Sorgfaltspflicht, Bildungsauftrag und Einhaltung des Vielfaltsgebots.
Diese Kritik betrifft sowohl Mainstream als auch unabhängige Medien. Ebenso ist kein großer Unterschied zwischen regionalen und überregionalen Medien festzustellen, in beiden Rubriken lassen sich fehlerhafte Berichte über kurdische Themen finden. Sogar von öffentlich-rechtlichen Medienanstalten habe ich verdrehte Tatsachen gefunden. Nach eigener Überprüfung habe ich Einseitigkeit und subjektive Wertung durch die Autoren festgestellt. Dies passiert, indem beispielsweise nur türkische Quellen benutzt werden. Die kurdische Sicht fehlt oft oder wird aus dem Kontext heraus wiedergegeben. Kurdische Themen kommen hauptsächlich in negativen Kontexten vor. Geschichten und Ereignisse über kurdische Menschen sind sehr gegensätzlich: entweder sind sie Opfer oder Täter. Wie eingangs erwähnt, gehen integrierte und erfolgreiche Kurdinnen und Kurden unter, da sie dann fälschlicherweise als „Syrer“ oder „Iraker“ und damit als Araber wahrgenommen werden.
Welche Motivation hinter dieser Diskriminierung steckt, möchte ich hier nicht erläutern. Nun ist es Aufgabe der Medien, die Öffentlichkeit und Politik zu sensibilisieren und aufzuklären. Als die so genannte „vierte Gewalt“ ist es Pflicht der Medien, ihren Beitrag zur Anerkennung der Identität von weltweit über 40 Millionen Kurdinnen und Kurden zu leisten.