Schon die Rekonstruktion der Ermittlungsarbeit der deutschen Exekutive vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss entlarvte eine äußerst befremdliche, diskriminierende Gesinnung in just jenen Staatsorganen, die unsere multiethnische Demokratie schützen sollen. Wie sind vor diesem Hintergrund die erheblichen Fehlleistungen des OLG München bei der Platzvergabe an die Journalisten und die glücklose Kommunikation seiner Repräsentanten zu verstehen?
Wie ist es zu bewerten, dass der ängstliche, am Buchstaben des Gesetztes klebende Gerichtspräsident Dr. Karl Huber erst durch das Bundesverfassungsgericht zu einer neuen, differenzierteren Sitzplatzvergabe an die deutschen und internationale Medien gezwungen werden musste? Und wie ist es dann zu verstehen, dass nun vier Plätze für türkische Medien und jeweils ein Platz für griechische und persische Medien reserviert werden, aber keinen einziger für kurdische Medien, obwohl mindestens drei der NSU-Opfer und mindestens die Hälfte der Verletzten in der Keupstr. in Köln kurdischer Abstammung waren!
Wie sollen wir, die Kurdische Gemeinde Deutschland e.V. und das wichtige mediale Netzwerk zu Kurden in der Türkei, Syrien, Irak und Iran, Vertrauen in dieses Gericht haben, wenn es – trotz rechtzeitiger Anmeldung vom 19.04.2013 – die Medienvertreter gerade dieser bedeutenden ethnischen Gruppe außer Acht lässt?
Es ist unerträglich, dass die gleiche diskriminierende Gesinnung, wie die NSU-Ermittlungspannenserie sie offenbarte, jetzt auch noch vor Gericht und damit vor Augen der Angehörigen der Mordopfer und der Weltpresse ihre fröhliche Urständ feiern kann!
Das beschämt uns zutiefst – als Bürger der Bundesrepublik Deutschland und auch als Kurden.
Dazu erklärt der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde Deutschland, Ali Ertan Toprak:
“Nichtsdestotrotz: Deutschland ist für Kurden in erster Linie ein Ort der Freiheit und ein Hort der Rechtstaatlichkeit, weil sie als politisch und rassistisch verfolgte Minderheit hier Zuflucht fanden. Wir vertrauen auf die Korrektivkräfte der Deutschen Demokratie und an die mehrheitlich lautere und pluralistische Einstellung ihrer staatlichen Organe. Und daher wollen wir uns sowohl mit diesem Wortbeitrag, als auch mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht konstruktiv dafür einsetzen, dass sich diese bedauerliche und schmerzhafte Ausgrenzung der Minderheiten in den deutschen Gerichten und Medien nicht wiederholt.”
Die Kurdische Gemeinde Deutschland e.V. lässt juristisch prüfen, inwiefern die Entscheidung des OLG München ein Verstoß gegen das Transparenzgebot darstellt. Im Detail ist zu prüfen, ob die Verfügung des OLG München vom 19.04.2013 Aktenzeichen: 6 St 3/12 mangelhaft ist, weil bei der Kontingentierung ausländischer Medien die kurdischen Vertreter komplett unberücksichtigt lässt und damit billigend in Kauf nimmt, das die türkische Presse durch ihre einseitige Berichtserstattung die kurdischen Minderheit weiter ungehindert demütigen kann. Diese willkürliche Schlechterstellung und ungerechtfertigte Benachteiligung der kurdischen Medienvertreter führt u. E. zur Aushöhlung des Grundsatzes der Herbeiführung und Erhaltung des medialen Friedens, der Informationsfreiheit und insbesondere der Informationsgleichheit.
Gleichwohl ist sich die Kurdische Gemeinde Deutschland e.V. ihrer Verantwortung gegenüber den Angehörigen der NSU-Mordopfer bewusst und setzt sich zusammen mit anderen Medien dafür ein, dass diese beschämende Diskussion über die Platzvergabe nicht die Inhalte des NSU-Prozesses in den Hintergrund drängt.
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