PRESSEERKLÄRUNG: 106/1811-2016

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Ehre gebührt dem, der ehrenhaft bleibt

Die Kurdische Gemeinde Deutschland fordert die Technische Universität Berlin auf, die Ehrendoktorwürde an den türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim zu entziehen. In einem Offenen Brief wendet sich der Bundesvorsitzende Ali Ertan Toprak an die Universitätsleitung.

Sehr geehrter Herr Präsident Prof. Dr. Christian Thomsen,
verehrte Frau Prof. Dr.-Ing. Christine Ahrend,
verehrte Frau Prof. Dr. Angela Ittel,
geehrter Herr Prof. Dr. Hans-Ulrich Heiß,

die Kurdische Gemeinde Deutschland fordert die Technische Universität Berlin auf, dem türkischen Ministerpräsidenten, Herrn Binali Yildirim, die Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Berlin zu entziehen.

Am 7. Dezember 2011 verlieh Ihre Universität dem damaligen türkischen Minister Binali Yildirim die Ehrendoktorwürde. Herr Binali Yildirim, der seit Mai 2016 Ministerpräsident seines Landes ist, hat eine tragende Rolle bei der Verfolgung Oppositioneller und der rasanten Entwicklung der Türkei in eine Diktatur. Wir stellen daher fest, dass Herr Yildirim sich zur Führung der Auszeichnung unwürdig erwiesen hat.

Binali Yildirim hat als Mitglied der Regierung und Intimus des Staatspräsidenten Erdogan stets die nachfolgend als beispielhaft aufgelisteten dramatischen Entwicklungen mitgetragen und seit Mai 2016 als Ministerpräsident maßgeblich forciert. Zu den alarmierenden Entwicklungen in der Türkei, die 2015 ihren Lauf nahmen und innerhalb von 18 Monaten die Türkei merklich veränderten, zählen:

Die Aufkündigung des Friedensprozesses mit den Kurden, Neuwahlen unter bürgerkriegsähnlichen Bedingungen im Jahre 2015,
die Verfolgung von über 1.000 Wissenschaftlern, die einen Friedensappell unterzeichnet haben,
die massenhafte Aufhebung der Immunität von oppositionellen Abgeordneten,
die Gleichschaltung der Medien bzw. Schließung zahlreicher kritischer Medien,
die Verfolgung und Inhaftierung unzähliger Demokraten und Regimegegner (darunter auch Journalisten),
die „Säuberungswellen“ in Staat und Gesellschaft, denen über 100.000 Menschen zum Opfer fielen,
Amtsenthebungen von 25 gewählten Bürgermeistern in den kurdischen Provinzen,
Zahlreiche Menschenrechtsverletzungen wie Folter oder Sippenhaft.

Diese Liste ließe sich noch weiter fortsetzen, doch wir glauben, dass ein Verweis auf die zahlreichen Erklärungen der Bundesregierung, des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission, dem kritischen Fortschrittsbericht der Europäischen Union sowie Berichte zahlreicher internationaler Menschenrechts- und Bürgerrechtsorganisationen reichen sollte, um die beängstigende Entwicklung in der Türkei vor allem unter dem Träger Ihrer Ehrendoktorwürde Herrn Binali Yildirim zu dokumentieren.

Mit einem Träger wie Herrn Binali Yildirim nimmt die Auszeichnung der Technischen Universität Berlin Schaden. Die Reputation dieser Auszeichnung ihrer Universität ist mit diesem diktatorischen Träger, der unter allen Umständen einen nationalistisch- islamistischen Kurs in seinem Land durchsetzen möchte, in Gefahr.

Herr Yildirim hat diese Auszeichnung nicht verdient und die Technische Universität den Schaden, der nunmehr daraus entstehen könnte, nicht verdient.

Weder trägt Herr Yildirim zur Völkerverständigung bei, noch zu mehr Demokratie. Vielmehr noch, entgegen der Warnungen aus Europa, bereitet er derzeit im Parlament einen Gesetzesentwurf zur Wiedereinführung der Todesstrafe vor.

Entziehen Sie Herrn Yildirim die am 7. Dezember 2011 verliehene Ehrendoktorwürde und distanzieren Sie sich von einem Regierungsstil, der die Türkei gradewegs in eine Diktatur geführt hat. Setzen Sie ein Zeichen, dass Ihre Universität nicht bereit ist, diese hohe Auszeichnung dem Träger, die ihn auch zum ehren- und verantwortungsvollen Umgang mit dieser Würde aufruft, noch länger den Besitz der Ehrendoktorwürde zu erlauben, da Ihre Universität unmissverständlich zur Demokratie und Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte sowie Presse- und Meinungsfreiheit steht.

Sie waren nicht im Amt, als die Ehrendoktorwürde verliehen wurde, jedoch tragen Sie als das aktuelle Präsidium eine Verantwortung auch für eine Entscheidung, die heute unter den dramatisch veränderten Bedingungen in der Türkei und das Mitwirken des Ehrendoktorträgers Binali Yildirim einer neuen Bewertung und Handlung bedarf.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Ali Ertan Toprak
Bundesvorsitzender