Pressemeldung 355/0407-2025
Historische Chance nutzen und die Zukunft gestalten
Mut zum Frieden!
Die Türkei steht an einem historischen Scheideweg. Die ungelöste kurdische Frage sowie die anhaltende Ausgrenzung ethnischer und religiöser Gruppen sind nicht nur innenpolitische Herausforderungen – sie sind Prüfsteine für eine demokratische Ordnung, die auf Gleichheit, Teilhabe und Rechtsstaatlichkeit beruht.
In einer Zeit wachsender Unsicherheiten im Nahen und Mittleren Osten kommt der Türkei eine besondere Verantwortung zu. Gerade jetzt setzen wir auf den Weg des Dialogs – nicht auf den der Gewalt. Wir lehnen jede Form bewaffneter Auseinandersetzung entschieden ab, unabhängig davon, ob sie vom Staat oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht. Jahrzehntelange Gewalt hat unermessliches Leid verursacht, Vertrauen zerstört und politische Lösungen blockiert.
Die Beendigung des bewaffneten Kampfes durch die PKK und deren Auflösung begrüßen wir ausdrücklich. Dieser Schritt ist ein klares Signal, dass politische Lösungen möglich – und notwendig – sind. Er muss der Ausgangspunkt für eine transparente neue friedenspolitische Initiative sein, in der alle relevanten kurdischen Kräfte – in der Türkei und weltweiten Diaspora – gleichberechtigt beteiligt werden. Denn es geht um mehr als eine einzelne Organisation. Es geht um das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes innerhalb einer redemokratisierten Türkei mit einer gleichberechtigten kulturellen, sprachlichen, gesellschaftlichen und politischen Teilhabe. Mehr als 30 Millionen KurdInnen leben in der Türkei. Und doch wird ihre Existenz rechtlich nicht anerkannt, ihre Sprache bleibt aus dem Bildungswesen ausgeschlossen, ihre gewählten Vertreterinnen werden verfolgt oder inhaftiert.
Ein demokratischer Staat muss nicht vereinheitlichen, sondern Vielfalt schützen. Das kurdische Volk hat das Recht, in Würde und Sicherheit zu leben und aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft mitzuwirken. Dazu gehören auch regionale Entscheidungsbefugnisse und eine eigenständige kulturelle Selbstverwaltung – im Rahmen eines demokratischen und geeinten neuen Staatsverständnisses. Ein entscheidender Beitrag zur Lösung liegt auch bei der kurdischen Diaspora, die mit über zehn Millionen Menschen weltweit Teil dieses Prozesses ist. Sie bringt Erfahrungen, Netzwerke und Expertise mit, die für eine nachhaltige Friedenspolitik unerlässlich sind. Ihre Einbindung ist kein Symbolakt – sie ist notwendige Voraussetzung für den Erfolg.
Darüber hinaus trägt der türkische Staat Verantwortung für alle ethnischen und religiösen Minderheiten: AlevitInnen, EzidInnen, ChristInnen, ArmenierInnen, AraberInnen und viele andere. Eine demokratische Türkei wird sich nur dann bewähren, Frieden und Stabilität erreichen, wenn sie diese Vielfalt nicht als Bedrohung begreift, sondern als Teil ihrer eigenen historisch gewachsenen Identität. Unsere zentralen Forderungen für eine demokratische und friedliche Lösung sind daher:
- Die verfassungsrechtliche Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts des kurdischen Volkes innerhalb einer demokratischen Türkei.
- Gleichstellung des Kurdischen als Amtssprache in allen mehrheitlich kurdischsprachigen Regionen.
- Eine transparente politische Verhandlung und friedenspolitische Initiative unter Einbindung aller kurdischen Akteure in der Türkei und der Diaspora.
- Eine angemessene Antwort auf die Aussetzung des bewaffneten Kampfes durch konkrete politische Reformschritte.
- Die Freilassung aller politischen Gefangenen sowie die Beendigung repressiver Maßnahmen gegen kurdische Medien, NGO‘s, Kommunen und MandatsträgerInnen.
- Die klare Absage an jede Form politischer Gewalt – Konflikte müssen zivil, rechtsstaatlich und demokratisch gelöst werden.
- Regionale Entscheidungsbefugnisse und kulturelle Selbstverwaltung in mehrheitlich kurdisch bewohnten Gebieten.
- Die rechtliche Gleichstellung kurdischer Parteien und Bewegungen sowie das Ende ihrer Kriminalisierung.
- Der Aufbau kurdischer Institute und Bildungsprogramme zur Förderung von Sprache, Geschichte und Kultur sowie Gleichstellung des Kurdischen als Amtssprache in allen mehrheitlich kurdischsprachigen Regionen.
- Die aktive politische und institutionelle Einbindung der kurdischen Diaspora in den Friedens- und Reformprozess.
- Eine pluralistische, demokratische Verfassung, die ethnische und religiöse Vielfalt anerkennt und schützt. Frieden entsteht nicht durch Schweigen, sondern durch Gerechtigkeit.
Demokratie lebt nicht von Ausgrenzung, sondern von Anerkennung.
Das kurdische Volk verdient – wie alle anderen Völker auch – ein Leben in Sicherheit, Würde und Mitbestimmung.
Jetzt ist die Zeit, Verantwortung zu übernehmen.