von Mehmet Tanriverdi*

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Letzte Woche habt ihr der Türkei einen weiteren Friedensbotschafter genommen, aber entmutigen werdet ihr die Kurden dadurch nicht. Mit jedem Toten Kurden der sich für die Völkerverständigung einsetzt, beweist der türkische Staat eigentlich nur, dass das Zusammenleben für sie sekundär ist.

Das wird ebenfalls durch die Ignoranz und Arroganz der türkischdominierten Landesteile immer wieder unter Beweis gestellt. Der westliche Teil dieses künstlichen Staatengebildes fühlt erneut wie bei den Anschlägen in Pirsus (Suruç), den Luftschlägen von Roboski (Uludere) oder dem feigen Attentat auf den kurdischen Intellektuellen Musa Anter keinen Schmerz sondern vollkommene Gleichgültigkeit. Solange das Volk durch schlechte türkische Nachahmungen wie „The Voice“ und „Dschungelcamp“ unterhalten wird, ist das Elend im Osten und Südosten gänzlich zweitrangig.

An dieser Stelle müssen ebenso diejenigen Kurden kritisiert werden, welche glauben, dass die wenigen Protestaktionen in der Westtürkei tatsächlich für Solidarität stehen. In Wahrheit werden diese in den Metropolregionen nahezu ausschließlich durch kurdischstämmige Jugendliche, welche mit ihren Eltern in den 80er und 90er Jahren aus ihrer Heimat vertrieben worden sind, organisiert respektive besucht.

Brüderlichkeit steht für Gleichheit und Begegnung auf Augenhöhe. Das war niemals der Fall in der „modernen“ Türkei. Der Schuss auf Tahir Elçi sei ein Anschlag auf die „Brüderlichkeit und das friedliche Zusammenleben“ propagieren erneut die gleichgeschalteten Medien und sogenannte „Vordenker“ im Einklang mit ihrer chauvinistischen Reflexideologie.

Die Wahrheit ist natürlich eine gänzlich andere. Die Grenzen des Nahen Ostens wurden willkürlich gezogen und haben dazu geführt das Machtverhältnisse ungleichmäßig verteilt wurden. Dieses historische Unrecht aus erster Stunde ist und bleibt das größte Hindernis vor dem Prozess einer sozio-politischen Nationenbildung.

Die Lösung aus kurdischer Sicht ist glasklar: ein freies demokratisches Kurdistan. Auch wenn die Türkei sich stets unkalkulierbar in der Region verhält, ist es an der Zeit auf allen Ebenen und mit ausschließlich demokratischen Mitteln eine funktionierende Nachbarschaft zu forcieren. Dass ein Zusammenleben offensichtlich nicht funktioniert, hatten vor dem letztwöchigen Ereignis bereits mehr als 17.000 unaufgeklärte Morde an Kurden während der 90er Jahre offenbart. Tahir Elçi hat sich mit nur 49 Lebensjahren hier eingereiht und wird nicht vergessen werden. Die Kurdische Gemeinde Deutschland verneigt sich vor seinem unermüdlichen Einsatz für sein Volk und die universellen Menschenrechte.

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Mehmet Tanriverdi

*) Mehmet Tanriverdi ist stellv. Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland