Bild: Latuff, 2016

Bild: Welcome to the New Turkey – Latuff, 2016

 

Die Türkei steht vor einer ungewissen Zukunft

Gewalt gesät, Gewalt geerntet, ein kritischer Blick auf die Innen- und Außenpolitik der türkischen AKP- Regierung

Auch wenn der jüngste Terroranschlag in Istanbul eine außerordentliche öffentliche Wahrnehmung nach sich zieht und als punktuelle Gefahr vermittelt wird, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass in etwa ein Viertel des türkischen Staatsgebietes ein wenig berücksichtigter Krieg geführt wird.

Die relative Ruhe im Westen der Türkei darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Türkei längst zu einen Kriegsland geworden ist, das sich flächendeckend und tagtäglich im Krieg gegen die Kurden befindet.

Für die aktuell dramatische Lage in der Türkei können drei Ursachen festgestellt werden.:

1. Die Regierung in Ankara hat in den letzten Jahren islamistische Terroristen massiv unterstützt um den syrischen Machthaber Assad zu stürzen, den türkischen Einfluss im Nahen Osten zu vergrößern und eine Autonomie der Kurden in Syrien zu verhindern. Die von Ankara unterstützte IS und die Al Nusra Front fühlen sich jedoch von Ankara verraten da Erdogan auf internationalen Druck hin seine massive Unterstützung für die Islamisten einschränken, und als Nachzügler der Anti-Terror-Koalition an Militärschlägen gegen die Radikalislamisten teilnehmen musste.


Ankara rief die Geister die sie jetzt nicht mehr loswird.

2. Der von Erdogan aufgekündigte Friedensprozess mit der kurdischen PKK, den die Menschen in der Türkei mit großen Hoffnungen begleitet haben, hat erneut den jahrzehntelangen Krieg in die kurdischen Gebiete gebracht. Seit über 30 versucht die Türkei den Krieg gegen die PKK militärisch zu lösen.
 So wie in der Vergangenheit auch verspricht auch die aktuelle Kriegspolitik der Regierung nicht erfolgreich zu werden. Hohe Verluste auf beiden Seiten sowie unter der Zivilbevölkerung aber auch eine große Zerstörung zahlreiche kurdischer Städte und Dörfer bringen eine neue Generation von traumatisierten Menschen hervor. Je geringer die Hoffnung auf eine politische Lösung ist, desto größer wird die Radikalisierung der Menschen sein.


3. In der Türkei haben wir keine Zivilgesellschaft nach europäischem Vorbild. Weder existiert eine breite Demokratie- noch eine Friedensbewegung. Dies ist sehr erstaunlich für ein Land, dass sich seit 35 Jahren im Krieg befindet. 
Medien, Vereine und Menschen, die sich für mehr Demokratie oder den Frieden einsetzen, sind den Repressalien des Staates ausgesetzt. Stattdessen bildet eine islamistisch- nationalistische Ideologie die Grundlage des heutigen Staats- und Gesellschaftsverständnisses. Sie setzt auf Druck Verfolgung und Unterdrückung aller kritischen Stimmen im Lande. Die Gleichschaltung des gesamten Landes, Auflösung der Gewaltenteilung im Staat, die nachhaltige Veränderung des politischen Systems sowie die Unfähigkeit aus Fehlern zu lernen und Fehler zuzugeben, tragen zu einer Destabilisierung der Türkei mit offenem Ende bei.

Angesichts dieser Entwicklungen in der Türkei sind die europäischen Staaten und die NATO-Bündnispartner in besonderer Weise in der Pflicht, auf die Türkei einzuwirken. 
Nicht die selbstzerstörerische Politik, einer fehlgeleiteten Ideologie eines allmächtigen Staatspräsidenten Erdogan verdient europäische Unterstützung und Solidarität sondern die Demokratisierung und Zivilisierung der Gesellschaft.

Wenn Europa und die USA jetzt nicht die Kraft und den Mut besitzen, eine tiefgreifende Demokratisierung der Türkei anzustoßen und zu unterstützen, werden sie ein „failed State“ vor den Toren Europas haben.